„Die Wände, die mich anziehen, wurden von der Natur und von den Menschen bearbeitet, so dass sie ein Spiegel ihres jeweiligen Umfelds sind. Es sind sprechende Wände, auf denen Menschen ihre Frustrationen und Hoffnungen zum Ausdruck bringen.“
(Doğançay 2008)
Der türkisch-amerikanische Künstler Burhan Doğançay (1929–2013) erlangte mit seinen Urban Walls internationale Bekanntheit. Über einen Zeitraum von fast fünf Jahrzehnten fotografierte er in mehr als 100 Ländern Hauswände und Fassaden. Die in aller Welt gefundenen und seit 1963 künstlerisch bearbeiteten Plakate, Hinweisschilder, Graffiti, Slogans und Schriftzüge sind für Doğançay Anzeichen des kulturellen wie auch des politischen Klimas. Hier offenbare sich die wahre Persönlichkeit einer Stadt.
Doğançay gestaltete in mehreren großen Werkgruppen von Papierarbeiten und Gemälden immer wieder das, was sich an den Oberflächen städtischer Wände abzeichnet, aber auch das, was dahinter liegt, was überklebt oder übermalt wurde und in seinen Werken wieder zum Vorschein kommt. Die „Zeichen an der Wand“ sind das Thema seiner Kunst. An den Wänden der Städte sah Doğançay, wie sich ein soziales Netzwerk avant la lettre entspann, und war fasziniert davon, dass sich die Botschaften dort ständig änderten und durch neue ersetzt wurden.
Doğançay hat die Wände der Stadt wie ein offenes Buch gelesen. Er bewahrte das Übersehene, Periphere und Flüchtige und übersetzte es in seine Kunst. Mit ihr verschafft er einer Vielfalt von Stimmen Gehör. Die Direktheit und Spontaneität, mit der sich Kreativität im urbanen Raum entfaltet, fesselten ihn sein Leben lang und ließen ein vielschichtiges, durch und durch kosmopolitisches Œuvre entstehen.
Die Ausstellung geht von drei Schenkungen aus, die das Museum Morsbroich seit 2015 erhalten hat, und ist eine Kooperation mit der Albertina Wien als Hauptleihgeberin. Ergänzt wird die Präsentation durch eine kleine Auswahl von Fotografien, die mit dem Kamerablick des Künstlers einige der Wände zeigen, die für Doğançay Spiegel von Gesellschaft und Zeit waren, ein unerschöpfliches Motiv.
Kurator der Ausstellung ist Fritz Emslander, Leiter der Grafischen Sammlung.
In der Reihe der Publikationen der Grafischen Sammlung erscheint im Verlag für moderne Kunst ein Katalog mit Essays von Fritz Emslander und Burcu Dogramaci (64 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen; 12 € an der Museumskasse, 18 € im Buchhandel).
1
Burhan Doğançay
Mysterious Eyes
1990
Collage, Gouache, Acryl, Fumage auf Papier
76,5 x 57,5 cm
Albertina, Wien
2
Burhan Doğançay
A & O
1973
Gouache, Fumage
34 x 35,4 cm
Museum Folkwang, Essen
3
Burhan Doğançay
Peace Sign in Israel
1975
Mixed Media auf Leinwand
122 x 122 cm
Museum Morsbroich, Leverkusen; Schenkung der Burhan-Angela Doğançay Foundation