Die künstlerischen Projekte von Francis Alÿs entwickeln sich über mediale Grenzen hinweg (Zeichnungen, Malereien, Aktionen, Fotografien, Filmen und Installationen) und meist über einen längeren Zeitraum. Die Geschichten, die er erzählt, und die Bilder, die er für diese Geschichten findet, zeugen von sensiblen Beobachtungen des menschlichen Seins in urbanen Kontexten. Oftmals tritt er selbst als Protagonist in Aktion, wenn er den „Raum“ durch-schreitet, Handlungen vollführt, die knapp an der Grenze des Banalen oder des Paradoxen entlangschlittern. Und dennoch werden in seinen Kunstwerken diese scheinbar alltäglichen Gesten zu Metaphern von etwas Grundsätzlichem. Problematiken, die unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert betreffen wie beispielweise Migration und das Ziehen von Grenzen oder auch die Auswirkungen der Globalisierung, finden darin einen mehrfach gebrochenen Wi-derhall.
Mit sozialkritischen Aktionen und Studien, simplen Gesten und poetischen Interventionen agiert Alÿs ähnlich wie Joseph Beuys am Berührungspunkt von Kunst und Gesellschaft, indem er entweder die Dinge und mithin gesellschaftliche Normen in Bewegung setzt oder sich selbst als Spaziergänger in die Welt einschreibt. Die einfachen, fast lapidaren künstleri-schen Gesten stehen oftmals im Kontrast zu den komplexen Verweisen, die seine Werke aus-zeichnen und die den Bogen zu aktuellen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Fra-gestellungen schlagen. Alltägliche Lebenswirklichkeiten und gesellschaftliche Ordnungssys-teme, die ihren Ursprung in der Rationalität der westlichen Moderne besitzen, werden mit konkurrierenden Modellen konfrontiert. Im zentralen Motiv von Mexico City, der komplexen lateinamerikanischen Megametropole, koexistieren und kollidieren die Systeme in grandio-sen Bildern und zeigen das Paradoxe des Zusammentreffens zweier Wirklichkeiten. Die Stadt, die Alÿs seit Jahren zu seinem Lebens- und Arbeitsmittelpunkt gemacht hat, ist ihm Inspirationsort für seine von Ambivalenz und Vieldeutigkeit geprägten Arbeiten.
Die Ausstellung Francis Alÿs. The Private View – Werke in deutschen Sammlungen im Museum Morsbroich zeigt den Künstler als einen genialen Schöpfer von Bildern, die unter-schiedliche Bereiche unserer Welt über politische, gesellschaftliche und kulturelle „Verstri-ckungen“ miteinander verbinden und damit unsere Sichtweise verändern und zu komplexen Interpretationen führen. Indem simpelste alltägliche Gesten auf globale politische Ord-nungssysteme verweisen, wird ALLES bedeutsam und ALLES miteinander verknüpft.
Die Einzelpräsentation im Museum Morsbroich, in der frühe und auch selten gezeigte Werke des Künstlers zu sehen sein werden, entsteht in enger Zusammenarbeit mit privaten Sammlungen sowie institutionellen Leihgebern.
Francis Alÿs (*1959 in Belgien) gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen Künstlern sei-ner Generation.
Kuratorin der Ausstellung war Stefanie Kreuzer
Gefördert durch
Bild 1
Untitled, 1995
Malerei und Enkaustik auf Leinen, 23,7 x 18,6 cm
Privatsammlung Deutschland
Bild 2
Ohne Titel, ca. 1990
Öl auf Leinen
20,5 x 26 cm
Privatsammlung
Bild 3
Zocalo, Mai 22, 1999
1999
In Zusammenarbeit mit Rafael Ortega, Mexico City
Video / Dauer: von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
Courtesy der Künstler und die Galerie Peter Kilchmann, Zürich